Was macht einen guten Reise-Fotografen aus?
Gefühlt machen wir immer mehr Fotos, besonders auf Reisen. Aber sind deshalb die Bilder auch gleichzeitig besser?
Wie erkenne ich überhaupt ein gutes Foto und was bedeutet eigentlich „gut“ in der Reisefotografie. Von diesen Fragen und meiner Begegnung mit verschiedenen Street Fotografen im Laufe der Jahre, berichte ich dir in diesem Beitrag.
Zusätzlich erfährst du, wie ich gelernt habe mit der 4w-Methode bessere Bilder zu machen und mit welchem Kamera-Equipment ich arbeite, und wie auch du einfach bessere Bilder machen kannst.
Lernen
Nachdem ich in dem Artikel Bis die Füße qualmen – Kyoto neben tollen Bildern auch meine Erkenntnis vom Photowalk mit dem amerikanischen Model und Fotografen Sean Lotman berichtete, kommt nach meinem ersten Photowalk mit Yolanda vom Hagen in Shanghai 2011 nun mit dem britischen Fotografen Tim Russell ein weiteres Kapitel hinzu. Ein Photowalk in den Slums von Bangkok zeigt die anderen Seiten der Metropole.
Solltest du dich neben der Street Fotografie auch für das Equipment interessieren, welches ich auf eine Safari in Afrika mitnehmen würde, dann schau dir meinen Artikel dazu an: Was brauche ich auch auf einer Safari an Foto-Equipment.
Das Wichtigste vorweg: Ich würde alle Fototouren wieder machen. Nicht, weil mir einer der drei Fotografen gezeigt hätte, wie ich die ISO bzw. die Blende richtig einstelle, sondern weil sie alle dieselbe Leidenschaft mit mir teilen und mich an Orte gebracht haben, die ich sonst so nie entdeckt hätte. Jeder Einzelne von Ihnen hat eine etwas andere Herangehensweise und trotzdem fotografieren alle drei im selben Bereich – der Street-Fotografie, sprich sie fangen das Leben auf der Straße ein, ihre Bilder erzählen eine Geschichte.
Neugierde
Was ich von Tim lernen konnte, war der Satz „Ein staunender Blick auf die Welt ist die beste Voraussetzung für originelle Werke.“
Er ist stets freundlich, interessiert daran was die Menschen gerade machen, bekommt daher eine Basis, obwohl er nicht viel Thai spricht, und fragt anschließend ob er ein Foto machen darf. Was mir ehrlich gesagt sehr zugesagt hat, da meine größten Bedenken im Vorfeld waren, dass unser Photowalk in den Slums in eine Art Zoobesuch ausartet könnte, was es so nicht wurde, da wir den Menschen stets auf Augenhöhe begegneten und so stets ein freundliches „Hallo“ mit einem Lächeln zurückbekommen haben.
Geduld
Die Zuversicht, das der richtige Zeitpunkt kommen wird, ist das, was ich vom Photowalk mit Sean mitgenommen habe.
Wir wollten Geishas in den Straßen von Kyoto fotografieren. Klar war, dass sie um diese Uhrzeit in dem Viertel unterwegs sein würden, aber wann und wo genau weiß man natürlich nicht. Daher lohnt es sich manchmal, sich einfach etwas zu trinken zu holen und an den Straßenrand zu setzen oder zu stellen, um abzuwarten. Gerade in Asien passiert immer etwas Skurriles. Daher: Warten lohnt sich.
Dennoch gibt es Meist für Alles auch eine Happy Hour und hier meine ich in diesem Fall nicht die vom Licht, sondern wann Etwas passiert. Tim aus Bangkok hat mir den Tipp gegeben früh morgens zum Hauptbahnhof Hua Lamphong zu gehen, denn zwischen 7-8 Uhr wäre da richtig viel los. U.a. würden viele Mönche mit dem Zug in die Stadt kommen, was immer ein gutes Fotomotiv hergibt. Durch den Berufsverkehr in der Metro kam ich erst gegen Viertel vor Neun am Hauptbahnhof an. Zu dieser Zeit hätte ich einen Heuballen mitbringen und über die leeren Bahnsteige jagen können – der Drops war gelutscht und nix mehr los.
Was ich ebenfalls auf unseren Reisen gelernt habe, frühes Aufstehen wird belohnt, denn neben grandiosen Licht erwacht das Leben in den Straßen immer mit den ersten Sonnenstrahlen, egal ob in Guatemala oder in Indonesien.
Leidenschaft
„Der Impuls, immer mehr zu lernen, zu tun, zu werden.“
Ich habe mir in den vergangenen Tagen meine Bilddatenbanken der letzten Jahre angeschaut und festgestellt, wo und wie ich angefangen habe zu Fotografieren und welche Veränderungen meine Art der Fotografie in den letzten Jahren gemacht hat. Eine Frage die mich stets dabei antreibt, ist: Sind meine Bilder gut bzw. besser geworden? Doch was ist eigentlich ein gutes Bild speziell vom Reisen?
Was auf alle Fälle größer geworden ist, ist meine Leidenschaft für die Fotografie.
Präsentation
Anfangs habe ich mir die 10-15 besten „Postkarten Bilder“ vom ganzen Urlaub rausgesucht und stolz wie Bolle unserer Familie und Freunden präsentiert. Nach ungefähr der Hälfte merkte ich immer, dass die Begeisterung beim Betrachter nachgelassen hat. Ich musste feststellen, dass reine Hochglanz Bilder zwar toll sind, um sie ins Wohnzimmer zu hängen, aber keine Urlaubsgeschichte erzählen. Häufig kam die Frage „Und wo seid ihr mal drauf?“. Seitdem befinden sich in unseren Fotoalben immer ein Mix aus Postkarten-Motiven und Selfies bzw. Bilder von uns oder Menschen, die wir kennengelernt haben. Anfangs wurden die Bilder häufig nur mit unserer Hosentaschen Knipse gemacht, heute fast ausschließlich nur noch mit dem Smartphone. Selbst die, die nicht technisch perfekt sind oder sagen wir es andersherum meistens sogar eher genau die kommen nun ins Album weil sie eine Geschichte erzählen – unsere Geschichte.
Ein guter Mix gibt einen lebendigen Urlaub auch lebendig wieder.
Organisation
Meine Bilder waren anfangs noch in iPhoto organisiert, weil Apple als einer der Ersten verstanden hat, dass es einer Bilderverwaltungssoftware bedarf um der in den folgenden Jahren stets steigenden Anzahl an Fotos Herr zu werden. Um mehr Möglichkeiten zu haben, wechselte ich auf die Pro Variante Aperture und bin seit 2016 nun bei Adobe Lightroom gelandet. Mittlerweile gibt es viele verschiedene Lösungen und aus meiner Sicht ist es nur wichtig, dass man mit der Organisation anfängt und nicht, welches Programm man am Ende nutzt. Für mich gibt es nichts Schlimmeres als Fotos in irgendwelchen Unterordnern vom Unterordner nie wieder zu finden. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich schon vor Jahren damit angefangen habe und möchte nicht mehr ohne leben.
Seit Anfang des Jahres durchforste ich nun meine alten Datenbanken und bin überrascht, welche alten Schätze und Speicherplatz-Fresser sich da noch wieder finden. Rund 4.000 Bilder (!) aus dem Australien Urlaub 2008, jede Menge RAW Bilder aus 2009 die ich damals noch unbedingt bearbeiten wollte – hat ja gut geklappt
Ich konnte so über 138 GB (!) Platz auf meiner Festplatte machen.
Dabei bin ich ganz einfach vorgegangen: Durch den Blog markieren wir immer direkt nach der Reise die Bilder, die unsere Zeit am besten wiedergeben, quasi die Geschichtenerzähler, von denen wir einen Teil anschließend auch hier im Blog hochladen. Es war klar, dass diese Bilder von uns schon mal für gut befunden wurden, sie somit eine Daseinsberechtigung haben und so musste ich „nur“ noch die anderen durchgehen. Neben einer Version von einem Postkartenfoto, durften nur Bilder bleiben, die eine Emotion hervorrufen, ihr könnt die San gerne fragen wie häufig ich schmunzelte oder „ach“ gesagt habe.
Alle anderen – und das waren die meisten – wurden gelöscht.
Folgende Emotionen haben mich häufig bewegt das Bild zu behalten:
witzig
selten
besondere Momente
Begegnungen, meist mit Menschen
interssant, in meinem Fall meist fotografisch ansprechend/abstrakt
Im Fall von Australien sind immerhin noch 478 Bilder übergeblieben, was immer noch recht viel ist, wenn man bedenkt wieviele Bilder man wirklich braucht, um einen 4-wöchigen Urlaub zu erzählen oder um sich 10 Jahre später noch mal daran erinnern zu wollen!?
Wer keinen Blog schreibt, dem hilft es vielleicht Bilder zu markieren die in ein Fotobuch sollen, ohne vielleicht tatsächlich ein Fotobuch erstellen zu wollen. Hierbei sollte man immer aus dem Blick des Betrachters denken, keiner will 15 Bilder von ein und demselben Objekt sehen, auch wenn es vielleicht die Oper von Sydney ist.
Solltest du ein Buch erstellen wollen, kann ich dir sehr den Anbieter Blurb ans Herz legen. Die Software lässt sich einfach bedienen (für Lightroom gibt es sogar ein Plug-in) und ich liebe die Qualität.
Meine Erkenntnis: Verwalten, Markieren, Aussortieren, Fotobuch erstellen oder zumindest so tun als ob.
Richtige Ausrüstung
Anfangs habe ich ausschließlich mit Zoom-Objektiven fotografiert. Warum? Weil es praktisch war. Mein erster Versuch mit einer Festbrennweite ging 2012 gründlich in die Hose und ich hätte es damals nie für möglich gehalten, dass ich 2016 nur mit einem 35mm Festbrennweite Objektiv nach New York reisen würde. Heute fotografiere ich fast ausschließlich mit Festbrennweiten, die klassischen 35mm und 55mm sind bei mir fast immer drauf. Du fragst dich jetzt bestimmt, warum ich so begeistert davon bin!
Hier sind meine Gründe:
Mit Festbrennweite fotografiere ich bewusster
Sind schön klein und leicht. Während z.B. das beliebte Zoom-Objektiv von Tamron 28-75 f2.8 (bei Amazon anschauen) über 800g auf die Waage bringt, hat mein 35mm gerade mal 85g. Was bei Reisen ein großes Plus ist, selbst wenn ich zwei mitnehme (als Beispiel das Sony 85mm f1,8 (bei Amazonanschauen) mit knapp 350g).
Unheimlich lichtstark, selbst bei wenig Licht kann ich noch Bilder ohne Blitz machen
Toll für Portraitaufnahmen. Durch die Schärfe und Unschärfe lassen sich Menschen und Gegenstände sehr schön „freistellen“
Günstig in der Anschaffung
Vor allem der Punkt eins trägt bei mir dazu bei, dass ich mir viel häufiger die wwww-Fragen der Fotografie stelle und dadurch bewusster fotografiere. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich die Kamera für ein Foto in die Hand nehme und dann doch kein Foto mache, was letztendlich viel Zeit beim o.g. Auswählen und Aussortieren spart.
Hier die 4W-Fragen der Fotografie:
WARUM mache ich das Bild?
WO mache ich das Bild? – 99% der Bild werden von dort gemacht, wo es zu erst gesehen wurde, aber warum? Ist ein anderer Winkel vielleicht noch besser?
WIE mache ich das Bild (hoch/quer)
WAS soll auf`s Bild? – Alles was nicht rein gehört, muss raus
Mit meinem Zoom-Objektiv machte ich häufig zu viele Bilder von einem Motiv bestes Bsp. oben erwähnter Australien Urlaub – hier noch ein bisschen rangezoomt, da noch ein bisschen weiter weg – und entschied dann später in einer zeitraubenden Session am Rechner was das beste Bild aus den 50 Stück ist. Diesen Prozess verlege ich jetzt auf den Zeitpunkt wenn ich das Foto mache.
Mit der Festbrennweite setze ich mich mehr mit meinem Motiv auseinander. Eventuell muss ich näher ran gehen, manchmal vielleicht sogar die Straßenseite wechseln, um mir eine neue, bessere Perspektive zu suchen. Dadurch denke ich viel intensiver über meine Bildgestaltung nach. Das Resultat: Bessere Fotos!
Hier noch eine Auflistung meines Reise-Fotoequipments:
Sony a7 III (bei Amazon)
Voigtländer 21mm 3,5 (gerade neu dazugekommen)
Samyang 35mm f2,8 (bei Amazon)
Sony Zeiss 55mm f1,8 (bei Amazon)
günstige, alternative Sony’s 50mm f1,8 (bei Amazon)
Falls dir eine Spiegelreflexkamera zu groß ist, du aber trotzdem die gestalterischen Möglichkeiten des Halb- oder Vollmanuellen Fotografierens nicht missen möchtest, kann ich dir die Sony RX 100 III (oder neuer) sehr ans Herz legen. Passt in die Hosentasche und lässt sich sehr einfach bedienen. Überträgt die Bilder auch direkt auf dein Smartphone, falls mal ein Bild direkt ins Social Media oder deine Freunde zuhause geschickt werden soll.