Es gibt immer was zu tun – Medellin
Nach dem traumhaft schönen Ausritt in der Kaffeezone rund um Salento geht es für uns in Kolumbiens zweitgrößte Stadt Medellin (2,4 Mio. Einwohner) und einstiger Heimat des gefürchteten Drogenbosses, dessen Namen man hier nicht sagen darf.
05.-12.10.2016 ::
Nach dem traumhaft schönen Ausritt in der Kaffeezone rund um Salento geht es für uns in Kolumbiens zweitgrößte Stadt Medellin (2,4 Mio. Einwohner) und einstiger Heimat des gefürchteten Drogenbosses, dessen Namen man hier nicht sagen darf.
Wie ein Wurm schlängelte sich unser gut ausgestatteter neuer Mercedes-Bus durch das grüne Gebirge. Die Straßen waren gut ausgebaut, nur die alle paar Meter angebrachten Bremmshügel schüttelten uns dermaßen durch, dass man aufpassen musste keine Gehirnerschütterung zu bekommen. Nach gut 6 Std. waren die weniger als 150 km gemeistert und die Stadt erstreckte sich mit ihren aus Platzmangel hoch in den Hang gebauten Häusern im Kessel vor uns.
Unsere Airbnb Unterkunft bei Arthur im Ausgehviertel Poblado war genau der richtige Ausgangspunkt für die nächsten Tage.
Wir buchten uns erst mal nur fünf Nächte ein, doch schnell war klar, es würde nicht reichen. Doch was macht man überhaupt in einer Stadt ohne richtige Sehenswürdigkeiten? Dass die Metro unter den Top 5 ist, sagt schon viel aus, doch dazu später mehr.
Erst mal ankommen
Mit Anna, einer ehemaligen Praktikantin von Sandra, die jetzt hier studiert, ging es erst mal zum Mittagessen. Uns wurde schnell klar dass die Zeiten mit dem leichten gesunden Essen aus Asien vorbei sind. Das Gute ist: alles ist mit Fleisch, was Sandra natürlich sehr freut.
Anna erzählte uns von ihrem Leben in den letzten Monaten hier und wir verabredeten uns fürs Wochenende um zusammen feiern zu gehen.
Thunder!
Im CrossFit Deluxe stand zu den Klängen von AC/DC’s Song Thunderstruck mal wieder eine Runde Durchkauen und Ausspucken an. July die Besitzerin begrüßte uns sehr herzlich und zeigte uns ihre CF-Box. Und was für eine!!! Die mit Abstand schönste, coolste und durchdachteste Box in der wir je trainiert haben, ließ unsere Herzen höher schlagen. In dem anschließenden Training verstanden wir allerdings nur spanisch .
Noch am selben Abend kamen Jan und Lea an, die einen Zwischenstopp auf dem Weg hierher gemacht haben.
Urwaldmensch
In Arthurs Unterkunft gab es 4 Zimmer. Auf unserer Etage zu uns gesellte sich noch ein kolumbianisches Pärchen, die für einen Kongress in der Stadt waren.
Es wartete eine Nacht mit vollem Programm auf uns. Der lauten Musik nach Mitternacht folgte ein ebenfalls lautstarker Streit der zwei, der mit einem ausgiebigen und nicht weniger lautem Versöhnungssex, der mir größtenteils dank Ohrstöpsel erspart geblieben ist, beendet wurde. Erst als Sandra mich einige Zeit später weckte und aus dem Nachbarzimmer Schreie gepaart mit Schlägen zu hören waren, war es auch für mich mit der Nachtruhe vorbei. Ab jetzt überschlugen sich die Ereignisse. Beim Hämmern an die Tür kamen unter Tränen erstickte Rufe, die nach der Polizei verlangten, zurück. Wenige Sekunden später ging die Tür auf und sie kam herausgefallen und befand sich halb nackt im Flur bei mir in Sicherheit, während der Übeltäter sich zur gegenüberliegenden Tür, zu unserem Zimmer, in dem sich Sandra gerade befand, aufrappelte. Den Versuch von San die Tür noch rechtzeitig zu schließen, stoppte der Kolumbianer mit einem Tritt gegen diese und stand mit seiner langen Neandertaler-Frisur und nackt wie Gott ihn schuf vor Sandra im Türrahmen und schnaufte wie ein Tier, während ich Jan und Lea alarmierte, bevor ich zur Hilfe eilte. Gott sei Dank setzte irgendeine Sicherung bei ihm wieder ein und er verschwand in sein Zimmer. Wir alarmierten unseren Host Arthur und dieser rief die Polizei. Beide trafen kurze Zeit danach ein, während sich Lea um die unter Schmerzen weinende und nur spanisch sprechende Frau kümmerte. Der Täter war zwischenzeitlich aus der Wohnung geflohen. Was eine Nacht.
Nach diesem Vorfall haben wir uns ein wenig mit dem Thema Häuslicher Gewalt auseinander gesetzt.
Gewalt gegen Frauen ist - wie die Recherche leider ergab - ein weltweites Phänomen und immer noch ein Menschenrechtsthema, nicht nur in Südamerika, sondern auch bei uns in Deutschland. Die bisher größte Studie (aus 2014) zur Gewalt gegen Frauen wirft ein schlechtes Licht auf Europa und auch auf Deutschland:
Jede dritte (!) Frau im Alter zwischen 18 und 74 Jahren ist in Deutschland nach eigenen Angaben schon mal Opfer von Häuslicher Gewalt geworden.
Der, dessen Namen man nicht sagen darf
Nach diesem Schock, einem Glas Wein und wenig Schlaf in der verbleibenden Nacht ließen wir den folgenden Tag langsam angehen und versuchten das Geschehene erst mal zu verarbeiten.
Nachmittags ging es für die 4-stündige Real City Tour Medellin in die Innenstadt. Camilo unser Guide erzählte uns sehr lebhaft, amüsant und euphorisch im besten Englisch von der Geschichte der einst gefährlichsten Stadt der Welt. Er erklärte uns, dass man den Namen des Drogenbosses, der einst hier lebte und regierte, nicht sagen darf/sollte, da die Einheimischen etwas „allergisch“ darauf reagieren.
Parallel fand in der Stadt eine Demo für den Friedensvertrag zwischen der Regierung und der FARC statt, der wenige Tage zuvor per Volksentscheid abgelehnt wurde. Camilo erklärte uns dass der insgesamt 5. Versuch eines Friedensvertrages vom Volk, bzw. den gerade mal 30% die den Weg zur Wahlurne gefunden haben, in erster Linie aufgrund zwei der darin befindlichen Bedingungen (u.a. Straffreiheit, Sitze im Parlament,…) abgelehnt wurde. Das Volk forderte mit der Demo die Wiederaufnahme der Verhandlungen bzw. eine Anpassung des Vertrages. Staatspräsident Santos hat passenderweise für seine Bemühungen am selben Tag den Friedensnobelpreis erhalten.
Spannend war seinen Ausführungen über das kolumbianische Lebensgefühls zuzuhören. Da Medellin die einzige Metro des Landes hat, auch wenn sie nicht super gut ausgebaut ist, ist sie der ganze Stolz der Stadt. Auch andere Ereignisse z.B. dass man bei der WM 1990 ein Tor gegen den späteren Weltmeister Deutschland (Aufstellung: Illgner, Augenthaler, Reuter, Buchwald, Pflüger, Berthold, Häßler, Matthäus, Bein, Völler, Klinsmann) geschossen hat (das Spiel ging übrigens 1:1 aus) werden immer noch wie der Gewinn des ganzen Turniers gefeiert. Man ist eben selbst auf die kleinen Dinge stolz, mega stolz!
Party-Safari
Das erste Mal auf unserer Reise stand Ausgehen in Form von Tanzen gehen auf dem Programm. Da unser Viertel Poblado in ganz Kolumbien bekannt ist fürs Feiern, war das natürlich ein Muss, und auch weil Anna sagte dass wir uns das nicht entgehen lassen dürfen.
So tanzten wir wenig später mit den Kolumbianern zu den Klängen von Reggaton und waren überrascht was Tanzen hier bedeutete. Die Herren der Schöpfung standen meist leicht von einem Fuß auf den anderen wippend da, die Hüften der Mädels immer fest im Griff, während diese sich am Schoß des Herrn „rieben“. Ich kenne einige Jungs die sich bei einer solchen Tanzkultur bestimmt zum Tanzen animieren lassen würden.
Siebenhundertvierzig
Per Bus ging es für einen Tagesausflug nach Guatapé. Vor Ort angekommen, warteten nach einem steilen Anstieg erst einmal 740 Treppenstufen auf uns bevor wir die atemberaubende Aussicht von dem Granitfelsen El Peñón genießen konnten.
Um die Akkus wieder aufzuladen ging es in das wenige Kilometer entfernte Örtchen Guatapé. Die schmalen Kopfsteinpflastergassen mit den bunten Häusern und den kleinen Kaffees haben zum Verweilen eingeladen, bevor es mit dem Bus am Nachmittag wieder die zwei Stunden zurück nach Medellin ging.
Abschied
Ein heftiges Gewitter, wie fast jeden Abend, leitete nach unserem dritten CrossFit-Besuch den letzten Abend ein, an dem wir uns freuten das Anna noch mal bei uns vorbeischaute, um sich zu verabschieden.
Insgesamt verging die Zeit wie im Flug, auch da wir mit Lea und Jan eine tolle Reisebegleitung hatten. Nach 1,5 Wochen gemeinsamen Reisens mit den zwei Münchnern in Kolumbien heißt es nun richtig Abschied nehmen, sehen wir uns das nächste Mal erst wieder in Deutschland.
So geht ein tolle Zeit zu Ende und führt uns an die Küste Kolumbiens, nach Santa Marta und für die Zwei geht es auf die Antillen.