Ein heißer Ritt – Salento, Kolumbien

Es war an der Zeit unsere Sachen zu packen und ein neues Land in Angriff zu nehmen.
Mit Kolumbien wartet das erste südamerikanische Land von all unseren Reisen auf uns. Doch warum reist man in ein Land, von dem ich vorher nur wusste, dass es fußballbegeistert und für Drogen bekannt ist und bis zum Tod des wohl bekanntesten Bürgers des Landes – dem Drogenbaron Pablo Escobar (Don Pablo) – als eines der unsichersten Länder der Welt galt?

02.-05.10.2016 ::

Alte Gespenster

Nach den ersten Tagen können wir nur sagen, dass die Außenwahrnehmung und die Wirklichkeit (unsere hier) kaum unterschiedlicher sein könnten. Nur gut, dass wir auf die Empfehlung anderer Reisender, die alle total begeistert von Kolumbien sind, gehört haben und nicht auf die alten verstaubten Sachen aus dem Geschichtsunterricht.

Seit 2002 hat sich unter dem damaligen Präsidenten viel getan und seit 2010 hat sich die Sicherheitslage im Land drastisch verbessert und ist in den meisten Gebieten mit denen anderer südamerikanischer Länder vergleichbar. Kolumbien hat sich daher in den letzten Jahren zum Top-Reiseziel in den Länder-Charts vieler Leute entwickelt und vereint für viele das Beste aus Südamerika in einem Land.

Wüste oder Amazonas – kein Problem. Tolle Karibikstrände oder Wale beobachten – kein Problem. Wanderungen in den Bergen oder zu einer der ältesten Ausgrabungsstätten des Kontinents – kein Problem.

Toller Auftakt

Schon die Taxifahrt vom Flughafen Armenia zum Busterminal in der Stadt zeigte uns wie freundlich die Menschen hier doch sind. Unser Taxifahrer sprach kein Wort Englisch – wir noch weniger als drei Brocken Spanisch, aber seiner überaus euphorischen Willkommensansprache war zu entnehmen dass er uns SEIN tolles Land präsentiert und glücklich ist, dass wir es besuchen. Diese Art von Euphorie begleitet uns seit dieser Fahrt täglich. Doch dazu später mehr.

Unser erstes Ziel liegt auf knapp 2.000m Höhe und hört auf den Namen Salento. Die kleine Gemeinde mit 7.000 Einwohnern ist Teil des Kaffeedreiecks in Zentralkolumbien, wo nahezu der gesamte Kaffee des Landes hergestellt wird.

Die kennen wir doch

Der Tag unserer Ankunft hätte zugleich einer der größten in der Geschichte Kolumbiens sein können, allerdings scheiterte auch der 5. Versuch eines Friedensvertrags mit den Farc-Rebellen per Volksentscheid. Die Sicherheit des Landes ist dadurch aber nicht gefährdet, wie uns alle versicherten.

Für uns sollte es trotzdem noch ein toller Tag werden, denn auf das geplante Wiedersehen mit Lea und Jan von reisenzumquadrat haben wir uns seit unserem letzten Treffen in Siem Reap/Kambodscha im April sehr gefreut. Die Zwei haben in den letzten Monaten viel in Südamerika gemacht und erlebt und wir hatten noch einiges aus IndonesienIndien und den USA zu berichten. Es wurde also ein langer Abend.

Natur pur

Bei der rund 6-stündigen Wanderung durch das Valley del Cocora ging es nicht nur achtmal per Brücke über einen Fluss sondern auch auf 2.860m hoch. Jeder Schritt, auch wenn er für uns als Nicht-Wanderer sehr anstrengend war, wurde mit einem tollen Ausblick auf diese unglaublich schöne und vor allem mega grüne Landschaft belohnt. Die Zeit bis zu unserem ersten Etappenziel Arame, einer „Kolibri-Farm“ verging wie im Fluge, da wir in einer Tour quasselten, wenn es die Höhenluft zuließ. Mit Lea hatte ich dann mit dem Fotografieren der kleinen ultraschnellen Vögel gleich die erste Herausforderung zu meistern, während Sandra und Jan uns dabei zusahen und ihren Käse in die heiße Schokolade tunkten.

Das im wahrsten Sinne große finale Highlight der Wanderung bildeten die 60-70 m hohen Waxpalmen, die wie skurrile Skulpturen der Landschaft ein einmaliges Erscheinungsbild geben. Die Palmenart wächst nur auf einer Höhe zwischen 1.800 und 3.000m Höhe und ist nach dem Mammutbaum das zweithöchste Gewächs der Erde.

Guter Kaffee, schlechter Kaffee

Da gerade Erntezeit für Kaffee ist, lohnt sich ein Besuch auf einer der vielen umliegenden Kaffeeplantagen erst recht. Neben jeder Menge Hintergrundinformationen der am Strauch wachsenden Kaffeekirschen, dürften wir uns auch im Pflücken üben und nur nach den reifen roten Früchten suchen. Mit unserer kleinen Ernte von 5 Stück/Person gingen wir dann den Verarbeitungsprozess durch, bis wir am Ende eine Tasse von dem Kaffee Klasse 1 trinken dürften. Bis vor wenigen Jahren wurden 100% der guten Klasse 1 exportiert und in Kolumbien ausschließlich die Klasse 2 angeboten. Seit wenigen Jahren bleiben circa 30% im Land.

Ein Kaffeepflücker verdient übrigens 400-600 Pesos (0,12-0,18 Euro) pro Kilogramm und erntet in der Hochsaison etwa 120 kg/Tag (=15-22 Euro/Tag). Was kostet gleich noch mal ein Kaffee beim Starbucks?

Was ein Ritt

Um die tolle Landschaft nochmal richtig genießen zu können, entschieden wir uns am Nachmittag für einen Ausritt mit Oscar. Es war das erste Mal für mich, dass ich auf einem Pferd gesessen habe und Sandra war sichtlich überrascht wie gut ich mich darauf machte.

Nach einer kurzen Eingewöhnungszeit mit Saman, meinem Pferd, klappte die Steuerung links/rechts/Stopp und vorwärts schon sehr gut. Das war auch nötig denn es sollte runter von der Strasse und in engen, matschigen, rutschigen und steinigen Schluchten steil bergab gehen. Geil! Oscar unser Guide flippte bei jeder Aussicht auf das darunterliegende Tal förmlich aus und rief dauernd „spectacularrrrr„, was keiner Übersetzung bedürfte und er hatte ja so recht. So lag in der vor uns liegenden, atemberaubenden Natur das wohl schönste Tal, welches wir bis jetzt jemals gesehen haben im goldenen Licht der Abendsonne und ab jetzt war klar, dass wir aus dem „Spectacularrrrr„-Rufen selbst nicht mehr herauskommen würden.

Bemerkenswert fanden wir, dass Oscar so glücklich schien uns dieses Erlebnis, dieses Tal zeigen zu können dass es fast schwer war zu sagen, für wen das Erlebnis beeindruckender gewesen ist. Und das, obwohl er es sicher schon 1.000 mal gesehen hat. Da war es wieder, dieses kolumbianische Lebensgefühl und voller Stolz Besuchern wie uns IHR Land zeigen zu dürfen – herrlich.

So ging es über Stock und Stein und durch einen „halbes-Pferd-tiefen“ Fluss dem Sonnenuntergang entgegen. Wie sehr hätte ich mir einen Cowboyhut für diesen ersten Ausritt gewünscht.
Wichtigste Erkenntnis nach den ersten Tagen in Kolumbien: „Erfahrungen zu machen ist besser, als Erwartungen zu haben!“

Am nächsten Morgen ging es mit dem Bus direkt nach Medellin, wo wir Natur pur gegen Großstadt-Jungle tauschen.

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Es gibt immer was zu tun – Medellin

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